Stadt & Land

Boneyard Beach

Es gibt so Momente, wo man etwas ganz Bestimmtes sucht und dann Ende etwas ganz Anderes findet. So ging es mir letztes Jahr in den USA, als ich unbedingt eine dieser für die Südstaaten so typischen Eichenalleen fotografieren wollte – und schließlich auf einem Strand voller toter Bäume stand.

Boneyard Beach

Bevor ich letzten September nach South Carolina geflogen bin, hatte ich mit meinem Freund Phil über meine Fotopläne geredet. Er hat mir daraufhin eine Reihe solcher Alleen in gut erreichbarer Entfernung herausgesucht. Mein Favorit in der Auswahl stand schnell fest: Edisto Island, genauer gesagt die Botany Bay Plantation.

Tree Tunnel
Baumtunnel auf dem Weg zur Botany Bay Plantation

Die Zufahrt zur Plantage zeigt sich als grüner Tunnel. Auf beiden Seiten der Schotterstraße wachsen die Eichen dicht and dicht und strecken ihre Äste über den Weg. Die üppige Vegetation im sumpfigen Gelände neben der Straße verstärkt den Effekt noch weiter.

Die volle Wirkung dieses Tunneleffekts kommt auf dem Foto gar nicht so rüber – was zum Glück auch nicht rüberkommt, sind die hunderten von Stechmücken, die mich in den paar Minuten außerhalb des Autos geplagt haben. Nun, wer schöne Fotos haben will, muss auch was dafür opfern…

Wenn man schon eine Stunde fährt, um an so einen Ort zu kommen, dann belässt man es natürlich nicht dabei sich nur die Zufahrtsstraße anzuschauen. Die Botany Bay Plantation ist heute ein ausgedehntes Naturschutzgebiet, das einige Besonderheiten zu bieten hat. Die auffälligste davon ist sicher der “Boneyard Beach”.

An diesem Strand von Edisto Island trägt das Meer nach und nach den Sand ab – ein Prozess, der vor einigen Jahren durch einen Hurrikan nochmal deutlich beschleunigt wurde. Wo das Land zurückgedrängt wird, stehen die Bäume in der salzigen Brandung und sterben ab. Übrig bleiben abstrakte Gerippe, die der Landschaft einen unwirklichen, mithin schaurigen Eindruck verleihen.

Belichtung

Als Phil, seine Frau und ich am Boneyard Beach ankamen war gerade Flut, die durch den Vollmond zudem noch besonders hoch ausfiel. Ein Sturm draußen vor der Küste sorgte für ordentlich Bewegung im Wasser. Einerseits reichten die Wellen dadurch an vielen Stellen bis an die dichte Vegetation heran, so dass man nicht weit laufen konnte. Andererseits standen die Baumgerippe dadurch weit im Wasser – genau das, was man für ein Foto will.

Nur, wie fängt man so eine Szenerie ein? Meine persönliche Philosophie, wenn es um das Fotografieren von Wasser in Bewegung geht, ist, dass man sich für eines von zwei Extremen entscheidet: Entweder man wählt eine sehr kurze Belichtung, um die Bewegung einzufrieren und die Wildheit des Wassers zu zeigen. Oder man belichtet sehr lange und lässt die Bewegungen buchstäblich ineinander fließen.

Die erste Variante war kein Problem. Die pralle Mittagssonne an diesem Tag bot mehr als genügend Licht, um mit Belichtungszeiten von 1/3,200 oder 1/4,000 Sekunde zu arbeiten. Damit ließ sich wunderbar der Moment einfangen, wenn sich eine Welle an einem Baustamm oder Wurzelstock bricht und das Wasser in alle Richtungen spritzt.

Doch für die geplanten Langzeitbelichtungen war genau das ein Problem. Ich hatte zwei Graufilter dabei: Einen, der das Bild um drei Blendenstufen abdunkelt und so die Belichtungszeit um den Faktor acht verlängert (ND8), und einen zweiten, der sogar ein tausend Mal so lange Belichtungen wie üblich möglich bzw. nötig macht (ND1,000). Doch wenn man bei 1/3,200 Sekunde anfängt, dann bringt einen selbst der ND1,000 nur auf eine Drittel Sekunden Belichtungszeit – nicht genug für das Bild, das ich im Kopf hatte. Ich habe daher die beiden Filter übereinander geschraubt, und zudem die Einstellungen für Blende und ISO so angepasst, dass ich schließlich bei Belichtungszeiten 20 bis 25 Sekunden herausgekommen bin.

Welchen Effekt diese so gegensätzlichen Belichtungszeiten haben, zeigt der direkte Vergleich:

Belichtungszeit-Vergleich
Dasselbe Motiv mit extrem kurzer und extrem langer Belichtung

Die Wellen lassen erahnen, wie windig es dort war. Daher war ich auch froh, dass ich mein großes Stativ mitgenommen hatte und nicht nur das kleine Reisestativ, denn für lange Belichtungen ist ein stabiler Stand der Kamera unabdingbar. Mit der salzigen Gischt musste meine Ausrüstung an dem Tag einiges mitmachen, und zurück zu Hause war erstmal Putzen angesagt. Aber: die Mühe hat sich gelohnt!

Das Ergebnis

Bei 20 Sekunden Belichtung wird aus der Brandung Nebel – was die mystische Wirkung des Boneyard Beach in meinen Augen noch verstärkt.

Boneyard Beach
Boneyard Beach – Edisto Island, SC, USA (ISO 100 – 20mm – ƒ/13 – 20s – ND 8 + ND 1.000)

Das Bild findet sich dann auch so als Juni-Blatt in meinem 2019er Kalender.

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