Der kleine Planet “Bahnwelt”
Wenn man anfängt, sich mit der Nachbearbeitung von Fotos am Computer zu beschäftigen, stolpert man schnell über alle möglichen Spielereien. Dazu gehört auch der “kleine Planet”. Es braucht allerdings ein passendes Motiv, damit dieser Effekt auch gut wirkt. Zum Glück hatte ich dafür direkt eine Idee…
Von der Bahnwelt zum Planet
Der Ausgangspunkt für einen “kleinen Planeten” ist immer ein 360°-Panorama, also eine aus einzelnen Fotos zusammengesetzte Rundum-Ansicht, die schließlich den “Horizont” der kleinen Welt bildet. Man braucht dafür einen freien Platz, auf den man sich stellen kann, und der rundherum interessante, nicht zu kleine (zu weit entfernte) Motive bietet. So einen Ort hatte ich direkt im Sinn: Die Drehscheibe im Eisenbahnmuseum Darmstadt-Kranichstein.
Ich hatte hier schon oft Panorama-Fotos gemacht, jedoch ist es immer schwer, den “Rundum”-Eindruck zu vermitteln, wenn man die Fahrzeuge, die im und neben dem Lokschuppen stehen, einfach nebeneinander aufgereiht sieht. Am sonnigen Morgen eines Veranstaltungstages, als alle Schuppentore geöffnet und die Loks schön aufgereiht waren, bot sich die perfekte Gelegenheit.
Planetenbau nach Anleitung
Damit stellte sich nun jedoch die Frage: wie geht das konkret mit dem kleinen Planeten? Zum Glück gibt es dafür eine sehr schöne Schritt-für-Schritt Anleitung auf dem englischsprachigen YouTube-Kanal von Gavin Hoey: Shoot and stitch a “Little Planet”. In dem Video erklärt Gavin, wie man am besten die Fotos für so ein Panorama aufnimmt und zeigt dann, einfach und nachvollziehbar erklärt, die gesamte Nachbearbeitung am Computer bis zum fertigen Planeten.
Los ging es natürlich mit dem Fotografieren. Von der Mitte der Drehscheibe aus habe ich drei Reihen Bilder aufgenommen. Jede Serie besteht aus 12 Fotos, die sich jeweils ein Stück weit überlappen. Dabei ist es wichtig darauf zu achten, dass sich auch die jeweils ersten und letzten Bilder eine Reihe überschneiden; so zeigen z.B. die Fotos 13 und 24 in der folgenden Galerie-Ansicht dasselbe Gleis:
Bei der ersten Serie war die Kamera waagrecht ausgerichtet, bei der zweiten nach unten geneigt und bei der dritten nach oben, um das Maximum an Bildmaterial zu haben. Ich alle Fotos mit identischen manuellen Einstellungen aufgenommen (ISO 100, 11 mm, ƒ/8, 1/200 s, Weißabgleich “sonnig”, manueller Fokus) um ein gleichbleibendes Aussehen zu erhalten. Dadurch ist zwar der Himmel in Richtung der Sonne trotz HDR-Belichtungsreihe mit +/- 2 Blendenstufen ausgebrannt, dafür ist die Oberfläche des Planeten am Ende gleichmäßig hell und hat keine dunklen Flecken.
Nach der üblichen Nachbearbeitung in Lightroom hinsichtlich Kontrast, Farben und Schärfe – auch hier für alle Fotos mit den identischen Werten – habe ich die 36 Einzelbilder mit der Funktion Photomerge in Adobe Photoshop CC geladen und dort zu einem Panorama zusammengefügt.
Eine kleine Welt entsteht
Es folgt der aufwändigste Schritt in dem ganzen Prozess, nämlich das Versäubern der Ränder. Damit man im fertigen Bild keine Nahtstelle sieht, müssen der linke und rechte Bildrand perfekt aneinander passen. Mittels des Verschiebungseffekt-Filters in Photoshop schiebt man sich dazu die Nahtstelle vom Rand in die Bildmitte und sucht sich dann eine gute Stelle, die man auf beiden Seiten sieht. Ich habe mich für die Mitte des Häuschens auf der Drehscheibe entschieden.
Von dort kopiert man sich einen Bildstreifen, schiebt ihn ans andere Bildende und arbeitet ihn so an, dass man den Übergang nicht mehr sieht. Im oben verlinkten Video wird dieser Prozess sehr schön demonstriert. Nachdem man das Bild zurückgeschoben und passend zugeschnitten hat, hat man nun ein Panorama dessen gegenüberliegende Seiten identisch sind. Für die Umwandlung in einen Planeten muss dieses nun noch so gestaucht werden, dass es exakt quadratisch ist, sowie im 180° gedreht, damit es auf dem Kopf steht.
Die eigentliche Verwandlung in einen kleinen Planeten erfolgt dann in Photoshop über Filter → Verzerrungsfilter → Polarkoordinaten → “Rechteckig → Polar”. Dabei wird der obere Bildrand zum Mittelpunkt eines Kreises zusammengezogen, während der untere Bildrand zum Umriss wird.
Dann waren noch einige Nacharbeiten nötig. Den Rand des Bildes habe ich teilweise zugeschnitten und die verbleibenden Ecken mit inhaltsbasierter Füllung ergänzt, so dass noch genug, aber nicht zu viel Himmel um den Planeten blieb. Außerdem habe ich das Foto so gedreht, dass die Loks oben auf dem Planeten stehen, statt unten dranzuhängen. Es hat mich jedoch gestört, dass durch den Umwandlungsprozess das Gleis auf der Drehscheibe in der Bildmitte zu einer Sanduhr-Form zusammengezogen war.
Hier konnte ich mir ein altes Drohnen-Foto zu Nutze machen. Das war zwar schon Jahre zuvor entstanden, aber ebenfalls an einem sonnigen Tag und ungefähr zur selben Uhrzeit, so dass die Lichter und Schatten zu meinem Zielbild passten.
Mittels Filter → Verzerrungsfilter → Wölben sowie dem Verflüssigen-Werkzeug in Photoshop habe ich das alte Foto in die passende Form gebracht, farblich an den Planeten angepasst und so eingearbeitet, dass man die Übergänge möglichst wenig sieht. Der einzige Nachteil ist, dass das fertige Bild durch die geringe Auflösung des Drohnenfotos in der Bildmitte leicht unscharf wirkt.
Das Ergebnis
Am Ende steht die Bahnwelt als kleiner Planet:
Das Eisenbahnmuseum verwendet diese Aufnahme seither auch als Profilbild in den sozialen Medien.