Technik

Zeitreise

Ein Foto vermag vieles. Es kann einen besonderen Moment festhalten, Stimmungen transportieren, und manchmal kann es auch zum Träumen einladen. Die komplexe Technik fängt einen ein, die vielen Räder und Hebel nehmen den Betrachte mit auf eine Zeitreise, in eine Phantasiewelt irgendwo zwischen Lummerland und 20.000 Meilen unter dem Meer…

Die Geschichte zum Bild

Eisenbahn war mein erstes Hobby – Angefangen mit dem klassischen Märklin H0 Startpaket mit Metall-Gleisen und der dreiachsigen Dampflok mit der Artikelnummer 3000. Das war Weihnachten 1980. Mit der Modellbahn daheim wuchs auch die Begeisterung für die echte Eisenbahn – zum Glück gibt es mit der Bahnwelt Darmstadt-Kranichstein vor Ort eine gute Möglichkeit, das Hobby entsprechend aufzuwerten. Seit inzwischen über 30 Jahren bin ich hier in meiner Freizeit unterwegs und genieße es, mich frei zwischen den historischen Lokomotiven und Wagen bewegen zu können.

Manfred Kopka / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)
44 404, ausgestellt bei der Fahrzeugschau “150 Jahre Deutsche Eisenbahn” in Bochum-Dahlhausen Oktober 1985 (Bildquelle: Wikimedia Commons / Manfred Kopek)

So eine Dampflokomotive strahlt schon etwas Besonderes aus. Selbst wenn sie einfach nur dasteht ist sie nicht einfach nur eine Maschine; sie ist ein schlafendes Wesen das darauf wartet, schnaufend, zischend und ächzend wieder zum Leben zu erwachen und seine volle Kraft zu entfalten. Man sieht ihr an, welche Kraft sie zu entfalten vermag – und bekommt auch schnell ein Gefühl dafür, wieviel Arbeit nötig war – und immer noch ist – um sie am Laufen zu halten.

Trotz aller Begeisterung habe ich mich im Museum nie für den Betriebsdienst engagiert – entgegen aller Hänseleien meiner Klassenkameraden bin ich dann doch kein Lokführer geworden. Dafür habe ich viel Spaß daran, an Sonntagen Besuchergruppen über das Gelände zu führen und die historische Technik zu erklären.

Den Abschluss des Rundgangs durch den Lokschuppen bildet stets unser “Jumbo”, die schwere Güterzugdampflok 44 404. Mit über 22 Metern Länge, 171 Tonnen Dienstgewicht und knapp 2.000 PS Leistung eine wahrlich beeindruckende Erscheinung. Da vergisst man schnell, dass moderne Elloks bei halbem Gewicht die vierfache Leistung aufs Gleis bringen.

Führerstandsbesichtigung auf der 44 404 während einer Veranstaltung
Führerstandsbesichtigung auf der 44 404 während einer Veranstaltung

Das Besondere an der 44er ist, dass man ihren Führerstand besichtigen und sich so hautnah einen Eindruck vom Arbeitsplatz von Lokführer und Heizer verschaffen kann. Viele Besucher sind erstmal völlig überwältigt von den vielen Handrädern, Hebeln und Anzeigen. Während den Erklärungen wird schnell klar, warum das Führen einer solchen Maschine vieler Jahre Ausbildung bedarf.

Die ganz speziellen Momente im Eisenbahnmuseum sind für mich jedoch die, wenn ich abends ganz alleine im Lokschuppen bin. Wenn alles still ist, und die historische Beleuchtung in der Abenddämmerung eine Stimmung erzeugt, in der nicht nur Licht und Schatten, sondern auch Gegenwart und Vergangenheit miteinander verschmelzen und die Phantasie auf Reisen geht.

Oft fühle ich mich dabei zurückversetzt in die Bücher von Jules Verne; Geschichten wie “Von der Erde zum Mond” oder “20.000 Meilen unter dem Meer”, die ich in meiner Jugend alle gelesen habe. Auch wenn ich die Bücher (leider) nicht mehr habe, so sind mir die Illustrationen darin doch bis heute im Gedächtnis geblieben – und bilden letztlich die Inspiration für das Foto, um das es hier geht.

Das Foto

Das Bild ist an einem kalten Januarabend nach Sonnenuntergang entstanden. Während das blaue Licht der Abenddämmerung durch die Fenster scheint, wird der Führerstand von einer einzelnen klassischen Glühbirne unter der Decke des Führerstands beleuchtet. Ich habe mich in den Kohlenkasten des Schlepptenders gesetzt und dort meine Kamera mit Stativ aufgebaut. Mit einem Ultra-Weitwinkel Objektiv (Tokina 11-20 mm an der Canon 760D) war es möglich, trotz der beengten Platzverhältnissen den gesamten Führerstand in einem Bild einzufangen.

Die Herausforderung lag in der Beleuchtung: während einige Schilder und Zettel hell strahlten, lagen andere Ecken in völliger Dunkelheit. Nachdem Brennweite (11 mm), Blende (ƒ/8), ISO-Wert (100) und Fokus manuell eingestellt waren, ging es an das Spiel mit der Belichtung. Letztlich entstanden fünf Bilder mit 2, 4, 8, 15 und 30 Sekunden Belichtungszeit.

Die Nachbearbeitung

Zunächst habe ich die fünf Bilder in Adobe Lightroom importiert und dort zu einer einzelnen HDR (High Dynamic Range) Aufnahme kombiniert. Dann habe ich alle wesentlichen Einstellungen an der Beleuchtung und den Farben vorgenommen, wobei ich schon mehr Kontrast, Klarheit und Schärfe eingesetzt habe als sonst. Dann ging es weiter in Photoshop. Neben weiteren lokalen Belichtungs- und Farbkorrekturen war hier das Hauptziel, den “gritty look” zu erzielen. Die Bearbeitung ist bewusst übertrieben, um einen Gesamteindruck zu erzielen der mehr Richtung Illustration geht, statt noch ein normales Foto zu sein. 44 404 trifft auf Nautilus.

Das Ergebnis

Zeitreise: Dampflokführerstand
Zeitreise: Dampflokführerstand (11 mm – ISO 100 – ƒ/8 – HDR aus Belichtungsreihe 2/4/8/15/30 Sek.)

Auch fast fünf Jahre später gehört das Bild noch immer zu meinen absoluten Lieblingsfotos. Es war nicht nur das Mai-Bild in meinem 2017er Kalender, sondern war auch für sechs Monate im Format 120×80 in der Cafeteria an meinem Arbeitsplatz ausgestellt – und es gibt inzwischen mindestens vier Personen, die dieses Bild als großformatigen Druck bei sich in der Wohnung hängen haben. Eine Anerkennung, die mich sehr freut!

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